Mittwoch, 26. November 2014

Tom Sawyer und Huckleberry Finn #1 - oder: Matthias Schlier und Christine Neuberger

Wenn Matthias Schlier anruft...

Ende Oktober in München. Es regnet, der nötigste Spaziergang mit dem Hund ist erledigt. Eine Premiere liegt eben hinter mir, noch zwei Wiederaufnahmen im Dezember, dann ist das Jahr vorbei. Die Unterlagen des letzten Stücks liegen wild durcheinander auf dem Schreibtisch, egal – das kann ich auch morgen sortieren. Da klingelt das Telefon ...

Es ist Matthias Schlier, der mir vorschlägt, die Regie für die nächste große Cantemus Produktion im Velodrom zu übernehmen. Das Stück heißt „Tom Sawyer und Huckleberry Finn“ – Premiere Ende Februar, Proben ab den Weihnachtsferien, Vorbereitungen ab sofort!
TOM SAWYER UND HUCKLEBERRY FINN! Sehr gern!
Ich rufe Andreas Schwark an, der gerade im Theatermuseum arbeitet, um ihm die Neuigkeit mitzuteilen. Er wird die Ausstattung des Stücks übernehmen. Auch er freut sich riesig.
Ein Blick in meine Bibliothek: Mist – ich habe das Buch von Mark Twain nicht. Nur ein schmales Bändchen „Prinz und Bettelknabe“ steht da zwischen Turrinis „Rozznjogd“ und Wedekinds „Lulu“.
Also schnell Jacke und Schuhe an und los. Mein Hund schaut mich entsetzt an: es regnet! Er muss trotzdem mit. Wir marschieren zur nächsten Buchhandlung. Gott sei Dank! Es gibt „Tom Sawyers Abenteuer“ sowohl in der Kinderbuchabteilung als auch im Klassikerregal. Und viele verschiedene Übersetzungen. Ich entscheide mich für die klassische Variante von Lore Krüger. Heimlaufen, aufs Sofa legen, lesen und lesen und lesen ...

Drei Tage später sind die alten Unterlagen vom Schreibtisch verschwunden und stattdessen liegt alles mögliche über, von und mit Tom Sawyer und Huckleberry Finn drauf. Andreas und ich haben die „allerwichtigste“ Sekundärliteratur übers Internet bestellt: andere Übersetzungen, alte Ausgaben mit Bildern von Walter Trier (einer unserer Lieblingsillustratoren seit „Emil und die Detektive“), Biographien von Mark Twain und Kurt Weill, Bildbände mit alten Photographien über den wilden Westen, auch ein Lucky Luke Band mit dem Titel „Auf dem Mississippi“ ist dabei).


Am Laptop läuft eine russische Verfilmung – ich verstehe kein Wort, aber die Bilder sind schön. Auf youtube kann man alle möglichen Toms und Huckleberrys sehen. Unsere Lieblingsverfilmung bleibt nach drei durchwachten Fernseh-Nächten die Verfilmung von 1930 mit Jackie Coogan und Junior Durkin.
Mittlerweile ist auch die Musicalfassung des Verlags angekommen. Im Vergleich zum Originaltext ist hier natürlich viel gestrichen, aber auch leicht verändert aus dramaturgischen Gründen.
Mir gefällt die Fassung, die John von Düffel erarbeitet hat. Im Paket dabei ist eine CD mit 5 Originalliedern von Kurt Weill mit Texten von Maxwell Anderson. Die englische Fassung dieser Lieder ist so gut, dass ich unbedingt auch davon etwas in die Inszenierung mit hinein nehmen möchte.
Ausgehend von der dramatischen Fassung erstelle ich ein Szenario – das ist eine Tabelle, die zeigt, wann welche Szene kommt, wie lange sie ist, wer dabei mitspielt und wo die Szene spielt. Ein Szenario bietet somit einen kompletten Überblick über das Stück und ist unerlässlich für die spätere Organisation von Proben, dient aber auch als Ablaufplan für Inspizient und Technik.
Wegen der vielen Ortswechsel bei Tom Sawyer wird schnell klar, dass es wieder sehr viele Umbauten geben wird...
Andreas entwirft das Plakat. Wir haben uns entschieden, die bekannteste Episode aus dem Buch als Motiv zu wählen: Tom Sawyer soll den Zaun von Tante Polly streichen. Er liegt im Bett und macht eine Skizze nach der andern, um davon die Besten später am PC zu bearbeiten.

Mitte November fahre ich nach Regensburg. Ich treffe mich mit Matthias Schlier, um die ersten Schritte zu besprechen. Mit im Gepäck: der erste Plakatentwurf und viele Skizzen von Andreas zu den einzelnen Charakteren der Hauptrollen, da wir heute auch über die Besetzung sprechen. Das Plakat kommt gut an, jetzt muss es noch formal überarbeitet und mit ein paar Angaben wie Sponsoren ergänzt werden, bevor es in den Druck geht.
Bei dem Gespräch über die Besetzung helfen die Skizzen von Andreas sehr. Damit wird sofort klar, welchen Typ wir uns für welche Rolle vorstellen.


Weiter geht es mit organisatorischen Dingen:
Probenplanung: Ab wann kann geprobt werden, wo können wir proben, wann fahren wir nach Regen, ab wann können wir ins Velodrom, ab wann ist die Band dabei, etc.!
Die zentrale Frage, nämlich was geprobt wird, werde ich zu Hause erarbeiten, sobald ich weiß, wer überhaupt wann da sein kann (bei insgesamt über 100 Beteiligten auf der Bühne mit 16 großen Rollen eine logistische Herausforderung!).
Termine für die Abgabe der Textvorlage und für die erste Leseprobe werden festgelegt.
Pressetext und Kostümlisten für Haupt -und Nebenrollen müssen zusammengestellt werden.
Da ich nur fünf Lieder auf der CD vom Verlag habe, das Stück aber insgesamt 18 Musiknummern beinhaltet, wird jemand organisiert, der mir den gesamten Klavierauszug aufnimmt.
Nach dieser ersten Besprechung schnuppere ich noch ein bisschen Chorluft und besuche zwei Proben im Malsaal. Ich sehe viele bekannte Gesichter aus „Emil und die Detektive“ und „Brundibár“ wieder.

Bei der Heimfahrt höre ich noch mal die Songs durch, die ich bereits habe.
Jetzt geht die Arbeit erst richtig los! Ich freu’ mich drauf! 


Christine Neuberger

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