Donnerstag, 14. August 2014

Finstergrün #5.1: Eine phantasievolle Kurzgeschichte über Habgier und ein bisschen Magie

Ritter Friedberg

Von Betti Meider

Ritter Friedberg war der tapferste aller Ritter. Er lebte in einer gemütlichen Burg in einem finsteren Wald. Alle nannten sie Finstergrün. Da ihm bisher noch keine Burg standhalten konnte, hatte Friedberg ein großes Gebiet unter seiner Gewalt und viel Geld in seiner Schatzkammer angehäuft. Seine Untertanen bekamen von dem Reichtum allerdings nichts zu spüren. Sie hungerten, denn die wenige Ernte der Felder zog der Ritter zum größten Teil als Steuern ein. Der dicke Herrscher liebte schließlich Kuchen und Früchte von den besten Obstbäumen.
Irgendwann hatte eine Gruppe Dorfkinder genug. Denn so konnte es nicht weitergehen! Sie hatten von einer Waldhexe gehört: über hundert Jahre alt und voller Wissen über Magie. Sicher würde ihr auch etwas einfallen, um das Ritterproblem ein für alle Mal aus der Welt zu schaffen.
In einer sternenklaren Nacht schlichen sich die Kinder aus ihren Häusern – mit dem Plan, die Welt zu retten. Sie waren schon seit mehreren Stunden unterwegs und der Morgen brach schon an, da hörten sie ein Knacken und Rascheln. Ängstlich versteckten sich die Kleinen hinter den Älteren. Doch es begegnete ihnen kein Monster oder Gespenst. Nein, nur ein schlauer Fuchs kroch aus seinem Bau und sah sie fragend an: 
„Wohin des Weges? Solltet ihr nicht längst schlafend in euren Bettchen liegen?“ 
„Wir wollen zu großen Waldhexe“, antworteten sie im Chor und der Fuchs grinste. 
„Die Waldhexe wünscht keinen Besuch“, warnte er. 
„Es ist aber dringend. Wir müssen den gierigen Ritter aufhalten, der über dieses Land herrscht“, flüsterte ein kleines Mädchen ängstlich. Der Fuchs wirkte, als würde es in seinem Kopf schwer arbeiten, bis er schließlich sagte: 
„Na gut, ich gehe ein Stück mit euch. So seid ihr schneller.“ Und tatsächlich! Mit Hilfe des Fuchses sahen sie nach drei Stunden den Garten des alten Hexenhäuschens. Dort verabschiedete sich der neue Freund der Kinder und gespannt betraten sie das weitläufige Hexengrundstück.
Kräuter-, Blumen- und Gemüsebeete umrahmten eine geduckte Hütte, die fast von Efeu verschluckt wurde. Aus dem Kamin kam dunkler Rauch, der die Luft mit verlockendem Brotgeruch füllte. Mutig schritt ein Mädchen voran und klopfte laut gegen ein Fenster. Sofort wurde es aufgerissen und ein schrumpeliges Gesicht kam zum Vorschein. Es wurde von wilden roten Locken umrundet, auf denen ein schiefer Spitzhut thronte. 
„Seid ihr die Hexe des Waldes?“, traute sich ein Junge zu fragen, an den sich zitternd seine kleine Schwester klammerte. 
„Und was wenn? Was wollt ihr hier?“, motzte die Alte zurück. 
„Wir brauchen Ihre Hilfe, um Ritter Friedberg aufzuhalten: Wir verhungern, wenn wir so weitermachen. Er schwimmt im Geld und wir sehen davon nichts.“ 
„Ich hätte da tatsächlich eine Idee, wie wir ihn stoppen könnten. Aber ich helfe euch nur, weil ich noch eine Rechnung mit ihm offen habe“, lachte die Hexe und versprach den Kindern, sich um die Angelegenheit zu kümmern. Hoffnungsvoll kehrten die Kinder ins Dorf zurück. Als sie im Dorf schließlich verkündeten, dass eine neue Zeit anbrechen würde und von ihrem Abenteuer erzählten, keimte Hoffnung in allen Bewohnern auf.
Drei Tage nach dem Abenteuer machte Friedberg einen Jagdausflug. Er wollte am Abend ein großes Festessen veranstalten und hielt deshalb Ausschau nach einem besonders schönen Tier. Da! Das wäre die perfekte Beute! Ein wunderschönes Reh stand mitten auf einer sonnenbeschienenen Lichtung und graste. Der Ritter zögerte nicht lange und erlegte das arme Wild. Er konnte ja nicht ahnen, dass das Fleisch von der Zauberin verflucht wurde. Sie saß versteckt auf einem Baum und beobachtete schmunzelnd, wie Friedberg lachend von dannen zog.
Am Abend wurde dann das große Fest gefeiert und der Ritter bediente sich mit seinen Freunden reichlich am Braten. Nur, warum wurde er plötzlich so müde? Auch rund um den Tisch wurde auf einmal überall laut gegähnt. Seine Lider wurden schwer und er sank schlafend auf seinem Platz zusammen. Langsam und knarrend öffnete sich das Tor zum Rittersaal. Die Hexe stand im Türrahmen und kicherte boshaft. Lautlos wie ein Luftzug glitt sie auf die Männer zu und schwang dabei wild mit ihrem Zauberstab: „Friedberg und seine Bande strichen viel zu lange durch die Lande. Trieben es zu wild und werden nun zum Bild!“

Diesen Reim zischte sie dreimal und wanderte dabei um die voll beladene Tafel. Der Ritter schlief fest weiter, während er sich langsam auflöste. Erst verschwanden seine Arme, dann sein Kopf und schließlich stand sein Stuhl leer. Das Gleiche geschah mit seinen Kumpanen. Doch was war das? Hinter ihnen an der Wand entstand gleichzeitig eine wunderschöne Malerei von tapferen Turnierkämpfern auf Pferden. Sah man genau hin, erkannte man darauf den Burgherrn von Finstergrün. Noch heute kann man das Kunstwerk der Hexe bestaunen und vielleicht findet ihr ja auch Friedberg darauf. Den tapfersten, aber auch habgierigsten Ritter aller Zeiten.

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